Paul Wenninger: „imbue“
Tanzquartier Wien, factory season

Von Helmut Ploebst, 6.5.2007, in: Der Standard

Ins Spiel kommen Tassen, Gläser, Schuhe, ein Autoreifen, eine Handfeuerwaffe, ein Schirm, eine Dusche, eine Garderobe, ein Bett, Sessel, Tische, Podeste, eine Vase, eine Glühbirne, einige Leute und mehr. In Paul Wenningers neuem Stück „Imbue“ verwandeln sich Requisiten in Akteure, die über einen präzisen Plan choreografiert werden.

Das Setting ruht nie, seine Architektur besteht nur aus Andeutungen: Kanten, Ecken und Nischen von Räumen, die immer wieder versetzt werden, herbei- und wieder zur Seite getragen. Ein wenig wie bei Jérôme Bels „t“, ein bißchen wie bei Raimund Hoghes Her- und Wegräum-Ritualen. Nur: hier geht es um eine Story, die vor den Augen der Betrachter geschickt angedeutet wird. Während des Zuschauens entsteht in jedem Leser eine andere Geschichte. Vielleicht wird ein Krimi nachgespielt, möglicherweise wird einer erfunden, Puzzleteilchen für Puzzleteilchen, Szene für Szene in Ausschnitten aneinandergefügt, bis der Plot zu tanzen beginnt, der einer über den Plot an sich sein könnte.

Geschichten entstehen erst in den Köpfen der Zuschauer, Leser und Hörer – auch dann, wenn ihre Konstruktionen haargenau vorgegeben sind. Wobei die Wahrnehmung das Gegebene immer verändert. Und damit arbeiten Wenninger, die Tänzerin Rotraud Kern, der Künstler Daniel Zimmermann und der Musiker Armin Steiner spielerisch und mit einer unerschütterlichen Sicherheit. „Imbue“ gesellt sich als Live-Schnitt-Performance zu Superamas Video „Billy Billy“ und Markus Schinwalds Live-Sitcom „exceptions prove the rule“ wie auf einem ganz logisch zu besetzenden Platz. Und Rotraud Kerns geisterhaftes Lächeln bleibt als Lewis-Carrollsches Signet wie das der Cheshire Cat bei „Alice in Wonderland“ noch lange, nachdem das Stück zu Ende ist.

English version

Paul Wenninger: “imbue”
Tanzquartier Wien, factory season

By Helmut Ploebst, 6.5.2007, in: Der Standard

Cups, glasses, shoes, a car-tire, a handgun, an umbrella, a shower, a wardrobe, a bed, chairs, a table, a vase, a light bulb, and people appear on stage.
In Paul Wenninger´s new piece “IMBUE”, the requisites become actors, which are choreographed within a precise plan.

The setting never rest, its architecture exists only of indications: Edges, corners and niches of rooms, that get moved over and over again, carried in and out. A bit like in Jérôme Bels „Nom donné par l’auteur“, a bit like Raimund Hoghes bringing and taking away rituals. But here it is about a story, that is cleverly implied in front of the viewer´s eyes. During watching different stories arise for every reader. Maybe a crime film is played, possibly one is invented, like pieces of puzzles scene after scene, put together in extracts till the plot starts to dance, that could be one about the plot itself.

Stories originate only in the heads of the spectators, readers and listeners although their constructions are pinpointed. But the perception always changes the predetermined. This is what Wenninger, the dancer Rotraud Kern, the visual artist Daniel Zimmermann and the musician Armin Steiner work with, playfully but in a resolute security. “ Imbue “ joins as a live cut performance to Superamas video „Billy Billy“ and Markus Schinwald’s live sitcom „exceptions prove the rule“ like on a place quite logically to be taken. And the ghostly smile of Rotraud Kern remains as a Lewis-Caroll signet like the Cheshire Cat ones in “Alice in Wonderland” long after piece already ended.